
Deutsche Archäologen brachten es an den Tag: Vergleicht man den Apollon-Tempel
von Didyma mit dem Parthenon auf der Akropolis in Athen, so wäre der Parthenon in jenem glatt verschwunden.
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18. April 1909: Theodor Wiegand der Grabungsleiter von Didyma, Priene und Milet, wurde zum Orakeltempel
von Didyma gerufen. Noch immer schaufelten die Ausgräber den Schutt aus dem Pronaos. Wiegand berichtet: »Man
war da plötzlich eingebrochen, und es zeigte sich unvermutet eine schmucklose Tür. Wir ließen eine
Leiter hinunter. Da gelangten wir in einen kaum verschütteten, etwa einen Meter breiten und 15 Meter langen,
von Ost nach West sich senkenden Gang, dessen Wände und Gewölbe von so prachtvoll feiner Steinfugung
sind, daß ich sie gar nicht genug beschreiben kann. Es zeigte sich, daß am westlichen Ende des Ganges
eine Türöffnung ist, welche sehr fein profiliert ist und schöne einfache Kapitelle hat. Dieser Gang
führt unter dem nördlichen Treppengehäuse des Mittelsaales her und mündet im großen Adyton.
Kein Mensch hätte so etwas vermutet. Über den Zweck kann man nur sagen, daß es sich jedenfalls
nicht um mystische Anlagen - auf der Südseite war es sicher gerade so - handelt, dazu sind die Gänge
viel zu direkt und zweifelsohne. Vielmehr sind es wohl Dienstgänge für den täglichen Gebrauch der
Tempel-diener, während die riesenhafte Tür in der Mitte geschlos-sen blieb und nur bei besonderen Feierlichkeiten
geöffnet wurde.«
Diese Zeilen schrieb Wiegand an Professor Hermann Winnefeld, den 2. Direktor der Antikenabteilung der Preußischen
Museen in Berlin.
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Unendlich langsam begann der Orakeltempel von Didyma Gestalt anzunehmen und ein Geheimnis
nach dem anderen preiszugeben. Doch das Unternehmen litt nicht nur an den katastrophalen politischen Umständen,
Personalmangel und unzureichende Ausrüstung erschwerten die Ausgrabungen zusätzlich. Wasserbüffel
und Kamele mußten Lasten bewegen, die den Ausgräbern zu schwer waren, vor allem fehlte ein großer
Flaschenzug. Aber Wiegand und seine Männer waren Meister im Improvisieren. Als im April 1910 ein britischer
Dampfer vor Patmos strandete und abgewrackt werden mußte, kaufte Wiegand der Verschrottfirma die drei Hebebäume
des Schiffes ab, jeder zehn Meter lang aus Pitchpineholz. Damit errichteten die Ausgräber einen riesigen Dreifuß,
sie befestigten an der Spitze einen Flaschenzug und waren so erstmals in der Lage, Säulenstümpfe aufzurichten.
Bislang hatten die Deutschen nach dem Prinzip der alten Ägypter gearbeitet - mit schrägen
Rampen aus Schutt. Bis zu sechs Meter hoch lag der Schutt an manchen Stellen, und noch immer war die eigentliche
Orakelzelle nicht zu erkennen.
Das lag vor allem daran, daß der Apollon-Tempel in spätrömischer und frühchristlicher Zeit
in eine Burg zur Verteidigung gegen Goten und Sarazenen umgebaut und noch später in eine byzantinische Kirche
verwandelt worden war. Noch im April 1911 stand die Apsis dieser Kirche auf der riesigen Freitreppe, die im Innern
des Freilufttempels zum Orakelheiligtum hinabführte.
Jeder Meter, den die Ausgräber tiefer in den Tempel eindrangen, legte neue Erkenntnisse
frei.
Aber der Bau wuchs nicht nur in die Tiefe. Knackfuß begann nun mehr und mehr, das zerstörte und
mehrmals umfunktionierte Gebäude wieder zusammenzusetzen, der Tempel wuchs von nun an auch in die Höhe.
»Es ist eine riesenhafte und doch unendlich vornehme Anlage herausgekommen«, schrieb Wiegand, »und
der arbeitslustige alte Herr Niemann steht anbetend davor und erklärt, das sei nun das Schönste und Großartigste,
was er in seinem ganzen, an großen Eindrücken so reichen Leben erlebt habe, und die Aufgabe erdrücke
ihn fast.«
Im Mai 1911 begannen die Abbrucharbeiten der byzantinischen Kirche, und was die Ausgräber
vermutet hatten, bestätigte sich. Unter den Fundamenten der Kirche kam ein weit älteres Bauwerk zum Vorschein,
die Cella des Orakels, ja mehr noch, am 7. Mai 1911 entdeckten Wiegands Männer einen halben Meter unter dem
Kirchenfundament eine gewaltige Quermauer, ein erster Hinweis auf den älteren archaischen Tempel. Theo Wiegands
spontaner Kommentar: »Junge, Junge, was wird das alles noch geben!«
Eine schon früh gehegte Vermutung fand nun mit jeder neuen Mauer, die freigelegt wurde, ihre Bestätigung.
Die alte Handelsstadt Milet hatte sich mit dem monumentalen Tempelprojekt übernommen. Trotz jahrhundertelanger
Bautätigkeit - der Tempel wurde nie fertig. Offenbar unter dem Eindruck des größten Griechentempels
der je gebaut wurde, des Artemis-Tempels von Ephesus, wollten die Bewohner von Milet der Nachbarstadt nicht nachstehen.
Das zeigte schon die Wahl der Architekten. Die beiden bekamen jedoch irgendwann Angst vor ihrer eigenen Courage,
als es darum ging, das Bauwerk einzudecken. Galt es doch 1164 Quadratmeter freitragend zu überbrücken.
Schon Strabon, der griechische Geograph und Historiker, sah sich, als nach über 300 Jahren Bauzeit noch immer
das Dach fehlte, zu der Bemerkung veranlaßt, der Tempel könne wegen seiner Größe gar kein
Dach erhalten, und das war zweifellos richtig.
Vergleicht man den Apollon-Tempel von Didyma mit dem Parthenon auf der Akropolis in Athen,
so wäre der Parthenon in jenem verschwunden. Die Säulen des Parthenon hätten samt Gebälk in
jener Türöffnung Platz gehabt, in die der Orakelpriester in Didyma zur Verkündung seines Spruches
trat. Die Säulen auf der Akropolis waren zehn Meter hoch, in Didyma ragten sie 19,70 Meter in die Höhe.
Rechnet man Sockel und Architrave hinzu, so erreichte der Tempel eine Höhe von 29,40 Metern. 122 Säulen
sah die architektonische Planung vor, aber viele wurden nie aufgestellt, manche blieben unbearbeitet stehen.
Die Kosten für jeden einzelnen Marmorkoloß waren unvorstellbar, die Säulen
wurden zu Schiff aus Thasos gebracht und vom Milet-Hafen Panormos nach Didyma geschleift. Aufgefundene Bauabrechnungen
beziffern die Kosten für eine einzige Säule auf 40000 Drachmen. Ein Steinmetz verdiente damals zwei Drachmen
am Tag. Legt man heute einen Tagesverdienst von 150 DM zugrunde (Euro- Umrechnung steht dem Leser frei), so würde
die Erstellung einer einzigen Säule auf unsere Verhältnisse übertragen drei Millionen Mark kosten.
Diese Zahlen sollen verdeutlichen, welcher Aufwand in Didyma getrieben wurde. Und in diesem Aufwand spiegelt sich
etwas von der Bedeutung dieser kleinasiatischen Orakelstätte wider. Es wäre falsch, Didyma nur als eine
Filiale von Delphi zu betrachten. Didyma ist vorgriechisch, das bezeugt Pausanias (V, 13, 11).
aus: "Das Geheimnis der Orakel" v. Philipp Vandenberg"
erschienen als Taschenbuch bei Bastei-Lübbe
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Kapitell einer Säule
in Didyma
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Beeindruckend - die Südwand des Apollon-Tempels
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Didyma nur 1,5 Std von Bodrum


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